Die Haysche Trennkost
Wenn man eine Hitparade der Ernährungsformen aufstellen würde, wäre die Trennkost wohl so etwas wie ein Evergreen, der alle Jahre wieder in die Charts kommt. Über kaum eine Ernährungsform sind so viele Bücher geschrieben worden wie über die Trennkost. "Die" Trennkost gibt es allerdings nicht. Im Laufe der Zeit haben sich unzählige Varianten herausgebildet, so dass man eigentlich jede einzelne betrachten müsste, um eine Einschätzung über ihren Wert zu geben. Dennoch soll hier versucht werden, eine Einschätzung vorzunehmen.
 
Philosophie und Thesen
Howard Hay Nach dem Begründer der Trennkost, "Howard Hay", beruhen bestimmte Krankheiten auf zwei Ursachen:
  1. Der Übersäuerung des Organismus.
    Hay geht davon aus, dass konzentrische (überwiegend Kohlenhydrate oder Eiweiß enthaltende) Lebensmittel Säurerückstände im Körper hinterlassen.
  2. Der verzögerten Verdauung durch die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydraten und Eiweiß.
    Nach Hay kann der Magen nicht gleichzeitig säurebildende und basenbildende Lebensmittel verdauen. Werden sie trotzdem zusammen gegessen, komme es zur Vergärung der Kohlenhydrate im Dünndarm.

Als Beweis für die Notwendigkeit der Trennung von Kohlenhydraten und Eiweiß führt Hay die Hülsenfrüchte an, die aus seiner Sicht kein geeignetes Lebensmittel darstellen, weil sie (bedingt durch ihren hohen Eiweiß- und Kohlenhydratgehalt) so schwer verdaulich seien.

Erklärtes Ziel seiner Kost ist die Heilung vieler Krankheiten.

 

Ernährungsrichtlinien
Kohlenhydratträger: Brot
Die Kost soll aus 80 % Basenbildnern (Obst, Gemüse, Salat, Milch, Butter, Joghurt) und zu 20 % aus Säurebildnern (Fleisch, Käse, Fisch, Kartoffeln, Vollkornbrot) bestehen.
Neutral verhalten sich Nüsse, viele Gemüse und Gewürze.

Eiweißträger: MilchWegen der verzögerten Verdauung durch die gleichzeitige Zufuhr von Eiweiß und Kohlenhydraten soll hier eine zeitliche Trennung erfolgen. Hay empfiehlt eine Pause von 4 Stunden zwischen den Mahlzeiten.
 
Acht Richtlinien zur Anwendung der Hayschen-Trennkost

  1. In der Ernährung sind konzentrische Eiweißnahrung und konzentrische Kohlenhydratnahrung zu trennen.
  2. Es sollen nur natürliche Lebensmittel verwendet werden. Davon auch nur soviel, wie zur Erhaltung des Lebens nötig ist.
  3. Der Anteil des konzentrischen Eiweißes und der konzentrierten Stärke soll verringert werden, um eine Übersäuerung des Körpers zu verhindern.
  4. Der optimale Säuren-Basen-Haushalt soll durch eine Zusammensetzung der Nahrung mit 2/3 rohen Basenbildnern und 1/3 Säurebildnern realisiert werden.
  5. In Abstimmung mit dem Tagesrhythmus, sollen morgens überwiegend basenbildende Lebensmittel, mittags Eiweißmahlzeiten und abends kohlenhydratreiche Mahlzeiten auf den Tisch kommen. Eiweißmahlzeiten nach 15 Uhr sollten vermieden werden.
  6. Neutrale Lebensmittel können sowohl mit eiweißhaltigen Lebensmitteln, als auch mit kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln kombiniert werden.
  7. Das Essen sollte in Ruhe verzehrt und gründlich gekaut werden.
  8. Zwischen den Mahlzeiten sollen Abstände von ca. 4 Stunden eingehalten werden.

Bewertung
Der Hauptort der Stärkeverdauung liegt nicht, wie Hay behauptet, in der Mundhöhle, sondern im Dünndarm. Daher kann es auch nicht, wie er vermutet, zu einer Gärung der Mehle im Dünndarm kommen. Die Einteilung der Lebensmittel durch Hay und Walb nach ihrem vorwiegenden Nährstoff Kohlenhydrat oder Eiweiß ist unklar. So wird der Grünkohl als konzentrisches Kohlenhydrat bezeichnet, obwohl er praktisch gleiche Anteile an Kohlenhydraten und Eiweiß aufweist. Quark zählt bspw. zu den neutralen Lebensmitteln, obwohl es einen hohen Eiweißanteil aufweist.

Unverantwortlich ist der Anspruch, durch die Trennkost nahezu alle Krankheiten (auch Krebs) heilen zu können. Die Unvereinbarkeit von Kohlenhydrat- und Eiweißverdauung besteht nicht. Sie ist auch nicht unnatürlich. Das einzige Lebensmittel, von dem man mit Sicherheit sagen kann, dass es für die menschliche Ernährung vorgesehen worden ist (die Muttermilch), enthält beides. Wäre dies unnatürlich, hätte die Natur schon längst eine bessere Alternative gefunden. Die Trennung von Kohlenhydraten und Eiweiß verhindert die optimale Ergänzung von pflanzlichen und tierischen Eiweißträgern. So ergeben gerade Kombinationen aus Milch und Eiern mit Kartoffeln und Getreide eine hohe biologische Wertigkeit des Eiweißes.

Durch die Reduzierung der säureüberschüssigen Lebensmittel auf 20 %, werden zu wenig Getreideprodukte gegessen.

Die strenge Einhaltung der Trennkost-Regeln gestaltet sich schwierig. So werden auch in den von Hay und Walb mitgelieferten Rezepten Milch, Eier und Kartoffeln (in Aufläufen) zusammen verarbeitet sowie Wurstbrote akzeptiert. Die meisten Menschen halten die strikte Trennung von Kohlenhydraten und Eiweiß nicht über Jahre hinweg durch. Ferner finden sich in den zahlreichen Variationen der Trennkost z.T. recht unterschiedliche Einteilungen der Lebensmittel in die o.g. Gruppen.

In gemäßigter Form (nach Walb) ist die Trennkost akzeptabel. Günstige Ansätze sind:

  • Die Empfehlung, langsam zu essen und gründlich zu kauen.
  • Da basenreiche Lebensmittel bevorzugt werden, ist die Ernährung überwiegend vegetarisch orientiert.
  • Der Fettanteil der Ernährung ist niedrig, und die empfohlenen Fette sind hochwertig.
  • Die Überwiegende Verwendung natürlicher bzw. naturbelassener Lebensmittel.
  • Mit einem Mahlzeitenabstand von ca. 4 Std. nimmt man pro Tag (wie auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen) etwa 4-5 Mahlzeiten ein.
Letztendlich ist die moderne Variante der Trennkost der Vollwerternährung recht ähnlich, nur daß bei letzterer keine Trennung der Lebensmittel erfolgt.

 

Stimmen der Fachwelt
Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Der AID bewertet die Trennkost positiv, wenn auch mit Einschränkungen. Zitate: "Nahezu alle Naturprodukte enthalten Kohlenhydrate und Eiweiß in unterschiedlich großen Anteilen... Die getrennte Aufnahme von eiweiß- und kohlenhydratreichen Lebensmitteln bringt zudem keine Vorteile."
"Auch die Empfehlung, zur Entlastung des Organismus eine überwiegend basenbildende Kost zu bevorzugen, ist nicht erforderlich. Eine abwechslungsreiche Mischkost ist in der Regel hinsichtlich des Säuren-Basen-Haushaltes ausgewogen."
Trotz dieser Kritik wird die Hay'sche Trennkost - mit einigen Einschränkungen - aus ernährungsphysiologischer Sicht positiv beurteilt, weil es sich um eine ballaststoffreiche, kalorien- und fettarme Mischkost mit viel frischem Gemüse und Obst handelt.

Schweizerische Vereinigung für ErnährungFrau Spahr von der Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE) sieht den Vorteil der Trennkost darin, "daß sich die Leute mit der Ernährung auseinandersetzen müssen. Sie überlegen sich vor dem Essen, was sie essen wollen und dürfen." Zu den immer wieder auftauchenden Meldungen, dass die Trennkost besonders gut zum Abnehmen geeignet ist, sagt sie: "Die Trennkost zum Abnehmen wurde klar modifiziert, das heißt der neutrale Bereich von Dr. Hay, der fettreiche Nahrungsmittel, wie Vollfettkäse, Nüsse etc. enthält, wurde dementsprechend verändert."
Als nachteilig betrachtet die Vereinigung die Tatsache, dass je nach Auslegung der Theorie "der Anteil der komplexen Kohlenhydrate und die Calciumzufuhr zu tief ausfallen kann."

Deutsche Gesellschaft für ErnährungDie Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) steht der Trennkost eher kritisch gegenüber. Zwar schreibt sie: "Die Trennkost ist energie- und fettarm. Dies ist positiv zu beurteilen." Aber einschränkend wird bemerkt:
"Die Lebensmittelauswahl sichert keine ausreichende Nährstoffversorgung, wenn nur 20 bis 25 % der Nahrung aus säurebildenden Lebensmitteln wie Getreideprodukte, Fleisch und Fisch bestehen. Getreide und Getreideerzeugnisse liefern essentielle Nährstoffe wie B-Vitamine, Folsäure, Magnesium, Eisen und Selen. Sie kommen in der Hayschen Trennkost deutlich zu kurz ... Zu empfehlen ist die Haysche Trennkost nur dann, wenn der Getreideanteil deutlich erhöht wird." Die DGE bemängelt weiter: "Darüber hinaus wird zu wenig Käse empfohlen, der vor allem für die Calciumzufuhr wichtig ist, zu wenig Seefisch, der z.B. für die Zufuhr von Jod und Omega-3-Fettsäuren wichtig ist, sowie zu wenig Fleisch, ein wichtiger Lieferant für Eisen."
Zum Thema Säuren-Basen-Haushalt schreibt die DGE: "Eine basenüberschüssige Kost bringt keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile. Eine Übersäuerung des Körpers ist beim Gesunden nicht zu befürchten."

 

Weitere Informationen und Literatur:

Bänziger, Erica;
Berweger, Theres:
"Trennkost im Berufsalltag"
ISBN 3-310-00394-9

"Das grosse GU Trennkostbuch"
ISBN 3-7742-4178-3, Gebunden

Summ, Ursula:
"Trennkost für 1 Person"
Falken Bücher,
02121 ISBN 3-8068-2121-6, Kartoniert

Summ, Ursula:
"Das Beste aus Ursula Summ's Trennkost-Küche"
Falken Bücher;
ISBN 3-8068-4985-4, Gebunden

Statement des AID zur Trennkost

Statement der DGE zur Trennkost
 

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