Fortsetzung: "Geschmackssache!" - Interessantes zum Geschmackssinn |
Geschmackszonen
aus: Taschenatlas d. Physiologie, Thieme-Verlag |
Geschmacksknospen
Die eigentlichen Organe, die für die Wahrnehmung der vier Geschmacksrichtungen
verantwortlich sind, sind die über die Zunge verteilten Geschmacksknospen.
Die Zahl der Geschmacksknospen nimmt mit steigendem Lebensalter ab. Schon jenseits
des 30. Lebensjahres lässt die Fähigkeit zu schmecken nach. Dies rührt daher, dass die Zahl
der vorhandenen Geschmacksknospen von 10.000 beim Säugling auf ca. 2000 beim
Erwachsenen zurückgeht.
Der Geschmackssinn ist bei Säuglingen bereits vollständig entwickelt. Allerdings muss der Säugling in den ersten Lebensjahren noch "üben", die verschiedenen Geschmacksrichtungen auszudifferenzieren. Die Geschmacksknospen mit denen wir die verschiedenen Geschmacksrichtungen wahrnehmen, liegen an den Randzonen der Zunge. Mitten auf der Zunge sind praktisch keine Geschmacksknospen zu finden. Auch unter der Zunge und an den Lippen, der Wangenschleimhaut und dem Zahnfleisch werden lediglich Druckempfindungen oder die Temperatur wahrgenommen.
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Die Geschmacksschwelle
Die Schwelle, ab der ein Geschmack erkannt wird, ist sehr unterschiedlich.
Wer seinen Geschmackssinn testen will, sollte einmal fünf 1-Liter-Flaschen Leitungswasser mit 0,5 g, 1 g, 2 g, 3 g bzw. 4 g Zucker versetzen und probieren, ab welcher Konzentration der Zucker geschmeckt wird. Die Wahrnehmungsgrenze liegt im allgemeinen zwischen 0,5 und 4 g, mit einem Maximum zwischen ein und zwei Gramm. Salz wird im allgemeinen ab 1 g/l Wasser erkannt, Bitterstoffe schon ab ca. 4 mg/ l. Das Geschmacksempfinden für Bitterstoffe ist erstaunlich gut. Dies hat evolutionär gesehen auch seinen Sinn, denn "bitter" bedeutet oft "giftig". So dass der Körper sich durch diese Kontrolle selbst schützt, indem vermeintliche Gifte früh erkannt werden. Der Grund für die niedrige Geschmacksschwelle bei Bitterstoffen liegt in der Architektur der Geschmacksknospen und der Geschmackspapillen: Am Zungengrund, also dort wo "bitter" geschmeckt wird, liegen die Geschmacksknospen auf in der Zunge eingesenkten Papillen. Bitterer Geschmack kann so länger auf die Knospen einwirken. In den vorderen Regionen, in denen z.B. vorwiegend . "süß" geschmeckt wird, liegen die Knospen auf pilzartig aussehenden, freistehenden Papillen. Daher wird die Geschmacksempfindung "süß" schnell erkannt, wirkt aber nicht so nachhaltig. Interessant für den Schwellenwert ist noch, dass dieser auch von der Witterung beeinflusst wird. So scheinen Kaltfronten das Geschmacksempfinden zu intensivieren. Besonders ausgeprägt ist der Geschmackssinn bei Gewitter.
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Wie wirken Geschmacksverstärker?
Der Japaner Kikunae Ikeda fand schon 1908 heraus, dass es eigentlich noch einen fünften Geschmacksinn gibt, der in Japan als "umami" bezeichnet wird.
Nach umami schmeckt im Prinzip nur ein Stoff, nämlich "Glutamat", der auf der ganzen Welt als Geschmacksverstärker eingesetzt wird.
Geschmacksverstärker sind chemisch in der Lage, bestimmte Geschmacksrichtungen in
ihrer Intensität zu verstärken oder auch einige Geschmacksrichtungen zu überlagern, um
damit z.B. Geschmacksfehler zu korrigieren. Der am häufigsten verwendete Geschmacksverstärker ist Natriumglutamat.
[Glutamat ist kein unnatürlicher Stoff. Er entsteht auch im normalen Stoffwechsel, z.B. bei der Umwandlung der
nichtessentiellen Aminosäure Glutamin in alpha-Ketoglutarat. Auch kommt Glutamat z.T. in so beachtlichen
Mengen in natürlichen Lebensmitteln, wie. z.B. Käse, Tomaten und Pilzen vor, daß dadurch schon ein
geschmacksverstärkender Effekt hervorgerufen wird. Für die Wirkung des Glutamats entscheidend ist der ph-Wert. Nur im Bereich von ph 5 bis ph 8 liegt es in
seiner dissoziierten und wirksamen Form vor]
Glutamat dockt an einen spezifischen Geschmacksrezeptor an, der den Sinneszellen das elektrische Signal für die Geschmacksempfindung übermittelt.
Bei der Geschmacksrichtung "süß" funktioniert dies im Prinzip ebenso, nur dass man den genauen Rezeptor, genau wie für die Geschmacksrichtung "bitter" noch nicht kennt. Kürzlich fanden Forscher jedoch zwei Moelküle, die die Rezeptoren für die Geschmacksrichtungen süß und bitter sein könnten. Erstaunlich war, dass die beiden vermeintlichen Rezeptoren sich sehr ähnlich sind. Dies könnte erklären, warum Süßstoffe bisweilen einen bitteren Nachgeschmack haben. Sauer und salzig nutzen Ionenkanäle, um die ensprechenden Sinneszellen zu reizen.
Der Geschmacksverstärker wird vorwiegend bei Fleisch- und Fischgerichten, sowie in
Suppen und Brühen verwendet, da er deren Geschmack besonders intensivieren kann.
Bei empfindlichen Menschen kann Glutamat zu dem sogenannten
"China-Restaurant-Syndrom" führen. Symptome sind Herzrasen, Gesichtsrötung,
Kopfschmerz und Benommenheit. Andere Nebenwirkungen sind beim Menschen nicht
bekannt. Die Gefahr dies durch zugesetztes Glutamat zu provozieren, scheint aber nicht so groß zu sein, wie bisher angenommen,
da die Aufnahme von natürlich vorkommendem Glutamt in westlichen Ländern mit ca. 1 g/Tag, deutlich über der Aufnahme von zugesetztem Glutamat (0,3 g/Tag) liegt.
Das zugesetzte Glutamat könnte höchstens das i-Tüpfelchen sein. Machen Chips süchtig?
Wer hin und wieder in die "Chipstüte" greift, kennt aber vielleicht auch das Phänomen, dass nach
Verzehr von mit Natriumglutamat gewürzten Speisen der Wunsch nach "mehr" entsteht.
Dies hat den "Morgen Welt Nachrichten" nach eventuell damit zu tun, dass spezielle
Geschmacksknospen im Mund bei Kontakt mit Natriumglutamat einen Reiz an das Gehirn
senden, der dieses dazu veranlasst, den Organismus nach mehr Natriumglutamat verlangen zu
lassen. [Morgen Welt Nachrichten v. 13. Juli 98].
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